Der Volkstrauertag in Kändler am 19.11.2023

Laut Wikipedia ist der Volkstrauertag in Deutschland ein staatlicher Gedenktag, der in dieser Form in der BRD seit 1952 immer zwei Sonntage vor dem ersten Advent begangen und zu den sogenannten stillen Tagen gezählt wird.

In diesem Jahr fand die feierliche Kranzniederlegung am 19.11.2023 vor dem Mahnmal an der Lutherkirche in Kändler statt. Leider war die Teilnahme durch die Bürgerschaft recht überschaubar. Die Anwesenden setzten sich hauptsächlich aus unseren Feuerwehrleuten und den Spendern der Kränze zusammen. Darunter der Oberbürgermeister der Stadt Limbach-Oberfrohna Gerd Härtig, Vertreter der Stadtverwaltung und der Spelo Stadtplanungs GmbH, der Bundestagsabgeordnete der AfD Mike Monczek, Vertreter des Vereins der Freien Wähler e.V. und der Fraktion der Freien Wähler sowie Vertreter der Fraktionen von CDU, von AfD und von Rot-Rot-Grün.

Die musikalische Untermalung der Veranstaltung übernahm der Posaunenchor der Kirchgemeinde Limbach-Kändler. Worte des Gedenkens und der Andacht wurden von Oberbürgermeister Herrn Härtig und Pfarrer Herrn Vögler vorgetragen. Beide Redner legten dabei großen Wert auf versöhnende Gedanken.

OB Härtig betonte:

Der Volkstrauertag ist eine Zeit des Innehaltens, des Nachdenkens und des gemeinsamen Gedenkens. Er erinnert uns daran, dass wir als Bürger dieser Stadt eine Verantwortung tragen, die über den Alltag hinausreicht. Möge diese bescheidene Veranstaltung uns dazu inspirieren, Brücken der Verständigung zu bauen, Konflikte sachlich und friedlich zu lösen und die Zukunft unserer Stadt in Eintracht zu gestalten.

Pfarrer Vögler wies auf die Besonderheit unseres Mahnmals in Kändler hin, das das Leid versinnbildlichen soll, welches durch Kriege ausgelöst wird. Zu sehen ist dort eben kein heroischer Held, sondern ein am Boden Liegender, nur dürftig Bekleideter mit gebrochenem Schwert.

Herr Vögler betonte in seinen Worten den Gedanken der „Versöhnung über den Gräbern“, der durch die Nagelkreuzbewegung am Leben erhalten wird und vom Pfarrer der Stadt Coventry begründet wurde. Dessen Botschaft lautet, dass die Menschen sich versöhnen mögen, bevor aus Konflikten Gewalt und Kriege entstehen. (siehe auch die Linksammlung weiter unten)

Und nachfolgend noch etwas Geschichtliches (siehe auch die weiterführenden Links weiter unten).

Ursprünglich wurde der Volkstrauertag 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. Es dauerte anschließend noch 6 Jahre, bis der Volkstrauertag erstmals  am 01.03.1925 begangen wurde. Der direkte Anlass dafür war das Ableben des ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik Friedrich Ebert, einen Tag zuvor.

Drei Monate später nahm der Reichstag den formellen Antrag für solch einen Trauertag an und ab 1926 sollte dieser „Volkstrauertag für die im Weltkriege Gefallenen“ am fünften Sonntag vor Ostern stattfinden. Die Cellesche Zeitung schrieb damals im Februar 1926:

„Volkstrauertag! Der erste deutsche Volkstrauertag soll in erster Linie dem Ehrengedenken unserer im Weltkriege gefallenen Väter, Brüder und Söhne gewidmet sein. Es ist nur zu wünschen, dass sich diese ernste Feier recht tief und fest und feierlich, auch ohne viele Reden und Gesänge, aus dem ureigenen deutschen und menschlichen Empfinden heraus geltend macht in den Herzen des ganzen Volkes.“

Man will es nicht für möglich halten, aber bereits in der damaligen Zeit, war man sich in vielen Belangen überhaupt nicht einig und alle Versuche, den Volkstrauertag zum gesetzlichen Feiertag zu machen, scheiterten im üblichen Klein-Klein der politischen Grabenkämpfe. So passte den Kirchen die zeitliche Einordnung nicht, da sie in die Fastenzeit fiel und es im November bereits kirchliche Gedenktage für die Verstorbenen gab. Ausserdem fand eine Debatte statt, ob denn das Reich oder die Länder zuständig seien. Und es gab schon damals vielfältige Versuche, die Deutungshoheit über den Zweck des Volkstrauertages aus politischen Gründen zu erringen.

Der eigentliche Gedanke, der gefallenen Soldaten (also unbescholteten Bürgern, die auf Geheiß ihrer eigenen Regierung ihr Leben einbüßten) zu gedenken, wurde bereits in Zeiten der Weimarer Republik immer mehr verfremdet und mit ideologischem Ballast beschwert. Wikipedia schreibt dazu:

„Wie unterschiedlich auch die Zielvorstellungen der einzelnen Gruppierungen waren, alle nahmen sie für sich in Anspruch, den „Geist“ bzw. die „Botschaft“ aller Gefallenen zu kennen und für die Gegenwart interpretieren zu können. Auf diese Weise wurde das Ziel, an diesem Tag alle Deutschen in der Trauer zu einigen, jedoch verfehlt.“

Die Nationalsozialisten trieben die Propaganda dann in den 1930igern auf die Spitze und machten aus dem Volkstrauertag den „Heldengedenktag“, einen gesetzlichen Feiertag, der sonntags vor dem 16. März begangen wurde.

Auch die DDR wusste den Volkstrauertag ganz im eigenen Sinne zu interpretieren und machte aus dem Volkstrauertag den „Internationale Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“. Dieser Gedenktag fand von 1952 bis 1990 immer am zweiten Sonntag im September statt.

In der BRD wurde die Tradition des Volkstrauertages ab 1950 fortgeführt und Anfang der 1950er Jahre auch eine Einigung erreicht, den Gedenktag an das Ende des Kirchenjahres zu verschieben. Leider konnte man sich nicht auf eine einheitliche Interpretation einigen. Wir erinnern uns: ursprünglich ging es um das Gedenken der Väter und Söhne, die im ersten Weltkrieg für ihr Vaterland gefallen sind. Dieser Gedanke kommt allerdings nur noch am Rand zum Tragen, immerhin wird aber der Volkstrauertag noch an den Denkmalen der gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege abgehalten.

Wikipedia schreibt dazu:

Der fehlenden ausdrücklichen Regelung entsprechend vage und veränderlich blieben die Inhalte des Volkstrauertags im Laufe der Zeit. Neben den gefallenen Soldaten rückten immer mehr die Opfer des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt des Gedenkens. Schließlich spielten aktuelle Bezüge vermehrt eine Rolle.” 

Es ist übrigens in der Bundesrepublik seither ritueller Höhepunkt des Volkstrauertages, in einem sogenannten Totengedenken des amtierenden Bundespräsidenten einheitliche Andachtsformeln auszusprechen, die dann auch durch andere Amtsträger, so auch von unserem OB vorgetragen werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass sich die Worte im Laufe der Zeit doch erheblich verändert haben, obwohl sich am Sachverhalt der gefallenen Soldaten und Kriegsopfer des ersten Weltkrieges eigentlich nichts geändert hat. Begründet wird das mit dem Wandel der Erinnerungskultur. Auf der Seite des Volksbundes sind die Veränderungen im Totengedenken nachzulesen. Hermann Ehlers gedachte 1951 noch knapp und bündig (https://gedenkportal.volksbund.de/gedenktage/volkstrauertag):

„Ich bitte Sie, in diesem Augenblick aller derer zu gedenken, die auf den Schlachtfeldern der großen Kriege den Soldatentod gestorben sind, aller derer, die in dem letzten Kriege in der Heimat und in allen Völkern verdorben und gestorben sind, aller derer, die auf der Flucht und in der Vertreibung ihr Leben eingebüßt haben Wir kennen ihre Gräber zu einem großen Teil nicht.“

Seither sind viele Opfergruppen ergänzt oder entfernt worden. So hieß es 2006 bei Herrn Köhler noch:

„Wir trauern mit den Müttern und mit allen, die Leid tragen um die Toten.“

Seit Christian Wulff 2010 gibt es diesen Satz nicht mehr. Dafür war es dann Frank-Walter Steinmeier, der zuletzt 2020 zwei weitere Zeilen ergänzte:

„Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land“.

Man kann nur spekulieren, welche Motive hinter diesen Veränderungen am Gedenken stehen. Falls sie darauf abzielen sollten, die Teilnahmequote der Bürger am Gedenktag zu erhöhen, war das Ansinnen von mäßigem Erfolg gekennzeichnet.

Weiteres Material und Links zum Volkstrauertag

https://de.wikipedia.org/wiki/Volkstrauertag

https://www.volksbund.de/

Rede vom OB Herrn Härtig 2023 in Kändler:

Rede des Bundespräsidenten Gauck 2015
https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/ansprache-von-bundespraesident-dr-h-c-joachim-gauck-476306:

https://gedenkportal.volksbund.de/gedenktage/volkstrauertag/totengedenken

Weitere Informationen zum Kreuz von Coventry

Weiterlesen: https://nagelkreuz.de/
Weiterlesen: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/luftschlacht-um-england-194041.html

Wie kam es zu diesen schrecklichen Taten?

Weiterlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/The_Blitz
Weiterlesen: https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article145416934/Ein-Irrtum-loeste-den-Bombenkrieg-gegen-Staedte-aus.html